Montag, 25. Juli 2016

Gießener Open: Runde 4 + 5 - Erfahrung gegen Jugend

Mit 2,5 aus 3 gestartet warten jetzt schwere Aufgaben auf uns. Ich bekomme mit Schwarz die Startnummer 6 mit 2155 zugelost. Bernds Gegner hat "nur" 2034 DWZ vorzuweisen. Mit ihm tauschen möchte ich aber nicht: 16 Jahre und aus Mainz angereist. Diese Jungs haben meist viel Eröffnungswissen, Rechenpower und Ehrgeiz. Da ist mir "mein" 2155er im mittleren Alter schon lieber...
Mein Gegner verläßt sehr früh die Theroriepfade. Ist mir recht - genau das Richtige für mein Kraut-und-Rüben-Schach. Nachdem ich bereits im 7. Zug einen Springer aktiv nach e4 befördern kann, tauchen ungewöhnliche Motive aus. Hier ist viel Rechenarbeit angesagt. OK, ich beschwer mich nicht, ich hab's ja so gewollt. Nur hab ich keine Zeit mal zu gucken, was der Bernd so anstellt.
Um den 20. Zug herum habe ich einige gut aussehende Opfermöglichkeiten um die gegnerische Königsstellung zu entblößen.
Problem 1: Ich hab nur noch 20 Minuten Bedenkzeit
Problem 2: Ich müßte sehr viele Varianten durchrechnen.
Problem 3: Wenn ich mich für ein Opfer entscheide, muß ich richtig viel opfern. Entweder wirds Matt oder ich kann sofort aufgeben.
Ich entscheide mich dafür, meine Angriffsstellung noch weiter zu verstärken. Gibt dem Gegner zwar die Möglichkeit eine Verteidigungsstellung aufzubauen, aber die Opfermotive bleiben bestehen und meine Stellung ist einfach nur gut. Außerdem muß er jetzt viel rechnen.
Im 30. Zug breche ich seine Verteidigungslinien auch ohne verpflichtende Opfer. Der Mattangiff beginnt. Im 33. Zug überseh ich einen einfachen Zwischenzug meines Gegners. Das erzwingt den Damentausch.. Mattangriff Ade, wir landen im Turmendspiel. Ich kriege einen Mehrbauern, aber meine Bauern am Königsflügel und mein König stehen schlecht. Gewinnpotential gleich Null, also biete ich Remis an.
Abgelehnt, mein Gegner versucht mit einem Bauern weniger das Turmendspiel zu gewinnen. Er hat fast 200 DWZ-Punkte mehr und durch die Schwächen ist mein Mehrbauer ziemlich wertlos - so ganz Unrecht hat er nicht, wenn er es versucht...
Nach dem 40. Zug hab ich endlich mal Zeit beim Bernd zu gucken, und kriege grade noch mit wie er seinem Gegner die Hand zur Aufgabe reicht. Schade.
Mein Gegner stellt im 63. Zug seine Gewinnversuche ein, wir haben seit 10-15 Zügen eine bekannte Remisstellung auf dem Brett und er hat sich ausgiebig davon überzeugt, dass ich diese Theorieendspiele beherrsche.
Nach einer wieder viel zu kurzen Mittagspause (selbst schuld, wenn mann so lange spielt?!) beginnt Runde 5.
Ich habe wieder Weiß, mein Gegner "nur" 1845 DWZ. Aber ein Jungspund aus Kornwestheim: Jahrgang 2002.
Bernd geht es nicht viel besser. DWZ 1748 hört sich machbar an. Für einen Spieler des Jahrgangs 2005 ist das richtig gut!
Fürs Königsgambit fehlt mir bei einem Spieler, bei dem ich viele Theoriekenntnisse vermute heute der Mut. Ich entscheide mich für Schottisch.
Er wählt die Sf6-Variante. Das wird scharf. Ich liebe diese Stellungen.
Er wählt in dieser Variante auch noch das meiner Meinung nach schärfste Abspiel. Hervorragend. Das hatte ich bisher nur 2mal im Blitzen auf dem Brett und wollte das schon lange mal mit langer Bedenkzeit haben. Jetzt heisst das wieder viel rechnen - zumindest für mich, mein Gegner spult die Züge einfach runter.
Ich habe noch 38 min auf der Uhr, er noch 1:23 h bevor er sich endlich in die Stellung vertieft.
Bernd verabschiedet sich. Er hat verloren. Ich frage nicht nach Details. er scheint nicht in der Stimmung für nähere Nachfragen und ich bin mit meiner Stellung voll beansprucht. Wir sind grade beim Zug 18 oder 19.
Mir gelingt es meinen Gegner einzuschnüren. Allerdings habe ich den schlechten Läufer und meine Türme stehen etwas unkoordiniert. Macht nichts, mein Gegner hat kaum Bewegungsfreiheit für seine Figuren. Ich brauche drei bis vier Züge um meine Türme zu koordinieren. Jetzt überlegt auch mein Gegner richtig lange. Und er findet eine Möglichkeit Gegenspiel zu organisieren.. Sein Plan braucht aber 3 bis 4 Züge, kommt also grade noch rechtzeitig. Weiterhin dynamisches Gleichgewicht
Im 35. Zug beende ich die Partie durch Dauerschach.

Gesamtbilanz:

Bernd Wildner: 2 Siege, 1 Remis, 2 Niederlagen = 2,5 aus 5
Die beiden Niederlagen heute schmerzen etwas, dafür remis gegen 2170 in Runde 3!

Eckhard Krauße 2 Siege, 3 Remisen = 3,5 aus 5
Die beiden Remisen in Runde 2 und 4 wurmen mich etwas. Aber keine Partie verloren, nicht einmal ernsthaft in Verlustgefahr gewesen, in der Schlußrunde eine hochinteressante Partie. Da kann ich nicht ernsthaft unzufrieden sein.

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